Die beiden Mädchen im Café in der Hufelandstraße kreischen.
Sie albern herum. Sie gackern. Sie nerven.
Ihr strohiges, totgefärbtes und hyperblondes Haar wackelt dabei ganz aufgeregt hin und her. Die Füße stecken in zerlatschten Chucks, angeknabberte Kippen liegen auf dem Tisch, und ihre Fingernägel sind im Kollektiv schwarz lackiert. Sie sind beide vielleicht 15 Jahre alt, und Coolness ist für sie nur ein Anzug, den man sich mal einfach so überstülpt.
Muss ja nicht perfekt sitzen. Geht schon irgendwie.
Mit ihren Augen (angemalt wie für den Auftritt in einem Stummfilm) fixieren sie starr die Oberfläche ihrer Iphones, unheimlich roboterhaft und synchron – und plötzlich zeichnet sich auf dem einen Gesicht so etwas wie Schrecken ab. Nicht einfach nur so ein plumper, kleiner Schock – schon mehr Entsetzen, garniert mit Unglauben. Und als Sahnehäubchen obendrauf gibt es auch noch eine kleine Welle Wut.
Blondie 1: „So ein Kack. Jetzt hat die meinen Facebook Eintrag schon wieder kommentiert.“
Blondie 2: „Wer?“
Blondie 1: „Na, meine Mutti.“
Blondie 2: (so entsetzt, als würde sie eine stinkende, durchlöcherte Socke kommentieren) „Du hast deine Mutter als Freundin bei Facebook?“
Blondie 1: (beschämt und sehr leise) „Ja, hab ich. Ich hatte doch am Anfang keine Freunde. Sah blöd aus.“
Blondie 2: (viel zu laut) „Und da hast du deine Mutter genommen? Mann, das ist doch wirklich bescheuert.“
Die beiden schweigen. Blondie 1 grübelt. Man kann ihr ansehen, dass sie vor einem schwerwiegenden Geständnis steht, das ihre gesamte, heile Teenager-Welt zum Einsturz bringen könnte.
Dann lässt sie die Bombe platzen.
Blondie 1: „Meinen Vater hab ich auch drin.“
Blondie 2: (kann es nicht fassen) „Mann, wie blöd bist du denn? Das kannst du doch nicht bringen, so was. Die fummeln dir doch dauernd dazwischen, mit den Typen und so… also echt…“
Blondie 1: „Das Schlimmste ist, meine Eltern haben sich schon in Facebook gestritten. So richtig doll. Total peinlich. Da hab ich meine Mutter aus der Freundesliste gelöscht.“
Blondie 2: „Hätt ich auch gemacht. Warum hast du sie jetzt wieder drin?“
Blondie1: „Na, Mann, die hat mir dann mein Taschengeld gestrichen. Da musste ich sie doch wieder reinnehmen.“
Ich muss lachen. So laut, dass der Kakao vor mir durch meinen Atem in ungestüme Wellenbewegungen versetzt wird – die Facebook-Mom erheitert mich grenzenlos. Freunde mal eben kaufen. Auch – und vor allem- wenn es die eigene Tochter ist. Und spionieren lässt es sich so auch noch ganz vortrefflich. Diese Mutter hat den Dreh wirklich raus. Respekt.
Als die Blondies mit schlenderndem Gang rausgehen, wirft mir Nummer Eins noch einen ihrer durchtrainiert- cool-düsteren Blicke zu.
Sie formt mit ihren Lippen zwei Wörter.
Ganz sanft. Und nur für mich.
„Fuck you.“.
Macht nichts.
Das war es wert.
Ich habe sehr gelacht gerade. 🙂
Ich auch – als ich es erlebte. Mit dem feinen Unterschied, dass nur ich beschimpft wurde. Fiese Welt.
Es hat mich auch sehr erheitert! ^^ Die Situation/das Gespräch und vor allem dein Schreibstil, der sehr kurzweilig ist und dabei sehr präzise Bilder impliziert.
LG Michèle
Du kannst dich gerne auf meine Schulter setzen und mich einen Tag begleiten. Am Ende des Tages wirst du deine Augen mit beiden Händen zuhalten. Wetten?
Ohne irgendwelches Vorwissen, lässt es sich sehr schwer beurteilen … Was veranlasst dich zu der Annahme oder dem Wetteifer? Droht mir Reizüberflutung oder könnten mir die Dinge missfallen? Ich bin doch schon groß … ^^
Ich habe über Michèles Gedankensprünge dein Blog entdeckt und abonniert. Ich habe mich gerade schlapp gelacht. Super Geschichte! Kommt bestimmt gar nicht so selten vor. Schöne Ostertage und liebe Grüße! Volker
Die beiden Girlies geben das bestimmt an ihre Kinder weiter. Wenn es so was altmodisches wie Facebook dann überhaupt noch gibt.
Gut beobachtet und auf sehr erheiternde Art und Weise niedergeschrieben!
Fies gelacht und danach minutenlang den Kopf geschüttelt…;-)
Großartig. Ich lache jetzt noch. 🙂
Berlin ist eben nicht Haiti…;-)
Ist wirklich wahnsinnig erschreckend wie erwachsen und abgebrüht die „Keschel“ heutzutage tun. Aber dat Ding ist, ihnen bleibt ja nichts anderes übrig: Kind sein ist out!:):(
Ich habe mehrere Minuten gebraucht, um im Netz eine Definition von „Keschel“ zu finden. Wieder was gelernt.
Wundervolle kleine Geschichte aus dem Alltag. ❤
Oh Gott, ich kenn das aus eigener Erfahrung, war auch mit meiner Tochter auf FB befreundet. Hab sogar gewagt zu kommentieren. Aber man will das ja alles gar nicht so genau wissen … und das Kind hat das genauso überlebt wie die restlichen Schrecken der Pubertät.
Wirklich eine super Szene!
Jetzt würde ich auch noch gerne die Sicht deiner Tochter hören…;-)
*g*
Das schreckliche ist, dass man vermutlich mit 15 auch nicht besser war… Danke fuer den morgendlichen Lacher!
Zu meiner Zeit gab es noch kein Facebook. Und ich bin gar nicht traurig deswegen.
Muss man ja auch nicht sein. Bezog mich auf das von Dir beschriebene Gehabe der Maedels
diese geschichte erklärt wunderbar die entwicklung: jugend verläßt facebook, und schüler VZ schließt. zurück bleiben die älteren. Zu faul, zu entkräftet, zu verwelkt fürs echte Leben“, chatten sie mit gleichalten bei bier, wein oder wasser, liken musik, zu der man früher getanzt hätte und fühlen sich hip dabei. Und die jungen treffen sich wieder im echten leben, und lästern dabei über die alten.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/nutzerzahlen-von-socialbakers-jugend-wendet-sich-von-facebook-ab-a-892266.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/soziale-netzwerke-schueler-vz-schliesst-ende-april-12142459.html
Hihihi! Ich kann mir die Szene richtig vorstellen.
Lass es. Die Bilder kriegst du nicht mehr aus deinem Kopf. Ich kämpfe noch heute dagegen an.
brave new world!
Sehr gut beobachtet.Vielleicht sollte ich doch öfter wieder nach Prenzlauer Berg fahren!? Oder einfach so die Augen offenhalten.
… oder in meinem Hinterhof schlafen? Direkt neben den Mülltonnen? Da ist immer was los.
*immer noch lachend*
muahahahaha—–ich hab auch meine Kinder bei FB….*grauenhaftes Lachen*