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MACH MAL LIEBE IM SCHLEUDERGANG

Waschmaschine

Riesengroß ist er. Prall gefüllt. Ein wandelnder Stoffhaufen.

Der Typ vor mir trägt einen gewaltigen Wäschesack über der Schulter, wie ein goldgieriger, wahnwitziger Zwerg, der gerade in einem Stollen alle Schätze geplündert hat. Im Vorbeigehen sehe ich, dass es Hartmut ist. Ich habe ihn seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. Er ist leichenblass. Und verschwitzt. Er beglotzt mich aus traumatisierten  Augen.

„Na, Alter?“, sagt er erschöpft.

Ich hasse es, wenn man mich so begrüßt. Es ist eine widerliche 80´er Jahre Formel für pseudo-coole Kids mit Kippe im Mund. Hartmut hat Physik studiert. Er sieht auch genauso aus. Eben wie ein ewiger Physikstudent. Er ist lang. So lang, dass sein Oberkörper  wie ein widernatürlich in die Länge gezerrtes Stück Kaugummi wirkt. Spindeldürre Armen klappern aus seinem verwaschenen Superman-T-Shirt.

„Bin auf´em Weg in den Waschsalon. Lena hat mit mir Schluss gemacht. Letzte Nacht…“

Lena ist fort. So, so. Sie war ja auch viel zu hübsch für Hartmut, den Nerd. Klar, dass das nicht hält, würden jetzt die meisten sagen. Ich auch. Aber ich behalte es für mich.

„Willste mitkommen? Könnt jetzt jemand zum Quatschen gebrauchen…“

Ich habe gerade noch ein Ein-Euro-Stück in meiner rechten Hosentasche gefunden, das ich in ein sanft-schmelziges Vanille-Eis investieren wollte. Dann eben nicht. Statt Eis Waschsalon. Toll.

Es ist leer da drinnen. Bis auf Paule. Eigentlich liegt  unser Kiez-Obdachloser lieber im Vorraum der Bank. Da wirkt er auch würdevoller. Heute also im Waschsalon.  Er schnarcht still vor sich hin. Hartmut packt seine Bettwäsche in eine Waschmaschine und feuert die rotierende Trommel mit geballten Fäusten an.

„Ja, genau… alles muss raus da… alles raus…“, brummelt er vor sich hin, „ich will nicht, dass die Bettwäsche nach ihr riecht. Ich will den Geruch da raus haben. Der muss da weg“, er blickt mich traurig an, „ist besser so.“

Erschöpft lässt er sich auf die Bank fallen, entzündet mit der größten Selbstverständlichleit ein monströses Haschisch-Hörnchen und pustet den Rauch in die Luft.

„Auch mal?“,  Hartmut hält mir die Riesentüte unter die Nase.

„Nein. Danke.“ Eine Tüte Eis wär mir lieber.

Hartmut drückt das Rückgrat durch und trommelt auf seinen dünnen Ärmchen herum. Seine Stimme zittert.

„Gemeckert hat sie die ganze Zeit. Weil ich nur vorm Computer hänge. Meine Lieblings- T-Shirts hat sie weggeworfen. Und meine Action Figuren. Die hab ich seit zwanzig Jahren gesammelt. Aber jetzt ist sie zu weit gegangen .“

„Was hat sie gemacht?“

„Das ist unfassbar, echt.“

„Na, was denn nun?“

„Die hat meine  Spider-Man Statur  in alle Einzelteile zerlegt. Wie eine Irre. Den Kopf hat sie abgerissen.  Und die Arme. Und dann hat sie Schluss gemacht. Weil ich zu kindisch bin, sagt sie. „

Hartmut wackelt mit seinen großen Zehen in den Sandalen herum.

„Ich bin fertig mit der. Fertig.“

Ich lege ihm einen Arm auf die Schulter. Ich bin tief betroffen.

„Konntest du Spider-Man denn nicht mehr zusammenkleben?“

„Na, wie denn? Die hat die Teile auf alle Mülltonnen verteilt. So ein raffiniertes Biest. So war sie schon immer. Und immer diese Meckereien. Kennst du das nicht? Meckern. Meckern. Meckern.“

„Doch. Schon. Von einer Ex-Freundin.“

„Und was hast du gemacht?“

„Wenn es schlimm war, habe ich ihr eine Schlaftablette in den Tee gemacht.“

Hartmut guckt mich erschrocken an.

„Echt?“

„Klar.“

„Das wirkt?“

„Natürlich.“

„Genial.“

Tatsächlich war dies ein besonderer Fall. Ich erkläre ihn gerne vor dem Hohen Blogger-Gericht. Meine damalige Freundin war erklärte Veganerin, die schon beim Anblick eines Teewurstzipfels in meiner Küche von hysterischen Anfällen durchschüttelt wurde und meine Zigarillos in der Mitte mit einer Schere durchschnitt. Es war der pure Furien-Terror.  Nach dem Verzehr meines Baldrianbomben-Spezialtees aber erstickte ihre schrille Stimme in einem wohligen und vor allem müden Blubbern.  Selbstverteidung. Nicht weniger.  In der kleinen Apotheke an der Ecke war ich jedenfalls ein gern gesehener Kunde. Hilft Hartmut jetzt aber auch nicht. Er legt den Kopf in den Nacken und lacht sein blechernes Physikstudent-Lachen.

„Eigentlich… ist  das jetzt gar nicht so schlecht… dann mach ich eben wieder, was ich will. Genau…“, nickt er sich selbst zu.

Wir starren beide in die rotierende Trommel. Das Brummen der Maschine vermengt sich mit Paules Röcheln. Die Haschischdämpfe steigen in meine Nase. Mir wird schwindelig.  Alles ist auf einmal irgendwie komisch und bunt. Vielleicht sehe ich die Frau am Fenster des Waschsalons deswegen auch so spät. Sie starrt mit riesigen Augen durch das Glas und geht zur Tür. Es ist Lena. Sie sagt nur ein Wort.

„Hartmut…“

Mehr nicht. Aber es reicht. Hartmut zuckt zusammen, steht  wie ein ferngesteuerter Untoter auf, und einen Moment später liegen sie sich in den Armen und küssen sich. Als sie gehen, lächelt mir Hartmut zu. Mit den Schultern zuckt er dabei noch einmal, als wolle er sich bei mir entschuldigen.

So einfach ist das manchmal.

Schade, dass es draußen nicht regnet. Es hätte zu dieser Szene gepasst. Stattdessen dringt von irgendwo da unten eine Stimme an mein Ohr.

„Maaannnn… endlich isser weg… das Gequatsche ging mir voll auf ´n  Zeiger …“, Paule rollt sich über den Boden. Müde Augen blinzeln umher.

„Du, Paul, kannst du ein bisschen auf die Wäsche aufpassen?“

„Sicher doch. Macht aber ´nen Euro, Meister“, brummelt er.

Ich lege ihm die Münze in die ausgestreckte, schwarze Kralle. Mist. Da gehen meine Träume vom Vanille-Eis endgültig dahin. Paule gluckst zufrieden.

„Danke. Und noch wat,  ick war zwanzich Jahre verheiratet, so ´ne Faxen wie bei euch jabs bei uns nich…mein ja nur…“

Nein. Wahrscheinlich gab es die nicht. Aber schön ist die Geschichte von Lena und Hartmut trotzdem.

Oder?